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Allgemeiner Deutscher Rottweiler-Klub e.V. |
Viele Hunde sind von Krampfanfällen betroffen. Nicht immer ist die Epilepsie die Ursache, auch andere Erkrankungen können der Grund sein. Eine genaue Diagnosestellung ist wichtig, um so die passende Therapie auszuwählen und die Ernährung dem Einzelfall entsprechend anpassen zu können.
Krampfanfälle, auch epileptiforme (also epilepsieähnliche) Anfälle genannt, treten in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf. Die wichtigsten Merkmale sind die Bewusstlosigkeit und unkontrollierte Muskelkontraktionen am ganzen Körper. Die Muskulatur kann dabei komplett versteift sein (tonische Krämpfe) oder rhythmische Zuckungen ausführen (klonische Krämpfe). Häufig treten Mischformen (tonisch-klonische Krämpfe) auf. Auch das Absetzen von Harn oder Kot ist während des Anfalls möglich. Aber auch andere Zustände können ein ähnliches klinisches Bild hervorrufen, beispielsweise ein plötzlicher Kollaps, eine Muskellähmung oder ein Schwächezustand.
Häufig werden Krampfanfälle mit dem Begriff „Epilepsie“ gleichgesetzt. Diese Erkrankung ist jedoch nur eine von sehr vielen möglichen Ursachen für Krampfanfälle. Von einer Epilepsie spricht man dann, wenn keine organische Ursache für die Krampfanfälle gefunden werden kann. Deshalb nennt man sie auch „primäre“ oder „idiopathische“ Epilepsie, also eine Erkrankung mit unbekannter Ursache. Auch wenn der Rottweiler keine genetische Vorbelastung aufweist und somit nicht zu den besonders anfälligen Hunderassen gehört, kann dennoch jedes Einzeltier an Epilepsie erkranken oder Krampfanfälle aus anderen Ursachen entwickeln.“
Nicht nur die primäre Epilepsie, sondern auch viele andere Ursachen können Krampfanfälle oder ähnliche Zustände, beispielsweise einen plötzlichen Zusammenbruch, auslösen. Dazu gehören Erkrankungen, die einen Sauerstoff- oder Nährstoffmangel im Gehirn auslösen können, wie Herzerkrankungen, ein Gehirninfarkt oder eine Unterzuckerung. Auch ein akuter Kalziummangel oder ein Vitamin-B1-Mangel, letzterer beispielsweise durch die Verfütterung von rohem Fisch, können krampfartige Anfälle hervorrufen. Das Gehirn oder Nervensystem kann weiterhin von direkten Schädigungen durch Kopfverletzungen, Entzündungen oder Infektionen (z. B. Staupe) betroffen sein und in Folge dessen Funktionsstörungen aufweisen.
Auch toxische Substanzen, die auf das Nervensystem einwirken, können zu Anfällen führen. Hierzu gehören einerseits aus der Umwelt aufgenommene Giftstoffe, die beispielsweise in Pflanzenschutzmitteln oder Schneckenkorn enthalten sind, oder fehlerhaft angewendete Medikamente. Aber auch Gifte, die im körpereigenen Stoffwechsel entstehen, spielen eine Rolle. Diese reichern sich beispielsweise bei Leber- oder Nierenerkrankungen im Körper an, da sie durch die eingeschränkte Organfunktion nur unzureichend abgebaut und ausgeschieden werden können. Krampfanfälle oder andere neurologische Ausfallserscheinungen, die aufgrund einer Leberstoffwechselstörung entstehen, treten relativ häufig auf und dürfen nicht mit der primären Epilepsie verwechselt werden.
Bei einer derart großen Fülle an möglichen Ursachen ist es besonders wichtig, die genaue Ursache zu ergründen, da jede Erkrankung anders behandelt werden muss. Je nach Art der Anfälle (Häufigkeit, Auslöser, Ablauf, Dauer) und Befunden der allgemeinen klinischen Untersuchung ergeben sich für den Tierarzt meist schon Hinweise darauf, welche Ursachen in Frage kommen. Grundlegend gehören eine neurologische Untersuchung (also die Untersuchung aller Nervenfunktionen) und eine Blutuntersuchung zu den wichtigsten diagnostischen Maßnahmen. Sind die Befunde dieser Untersuchungen noch nicht aussagekräftig oder treten trotz Therapieeinleitung weitere Anfälle auf, sind meist weiterführende Untersuchungen notwendig, die zum Teil nur von spezialisierten Tierärzten oder Kliniken durchgeführt werden. Hier sind Röntgen-, Ultraschall-, CT- oder MRT-Untersuchungen, Rückenmarkspunktionen (zur Untersuchung der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit), EEG-Untersuchungen (zur Messung der Hirnströme), Leberfunktionstests, aber auch Harnuntersuchungen zu nennen. Letztere können Hinweise auf Stoffwechselveränderungen geben. Die Diagnose der primären Epilepsie kann jedoch nur dann mit Sicherheit gestellt werden, wenn alle anderen möglichen Ursachen mittels klinischer oder weiterführender Untersuchung ausgeschlossen wurden.
Tritt zuhause ein Krampfanfall auf, ist zunächst Ruhe zu bewahren. Wenn möglich, sollte der Hund dort verbleiben, wo er ist. Gegenstände, die den Hund verletzen könnten, sind aus seiner Reichweite zu entfernen. Geräusche und Lichteinfall sollten auf ein Minimum reduziert bzw. abgedämpft werden. In den meisten Fällen hört das Krampfen nach wenigen Minuten auf. Wenn der Anfall zum wiederholten Male aufgetreten ist, hat der Besitzer meist spezielle Medikamente zur Unterbrechung eines akuten Krampfanfalls (sogenannte Antikonvulsiva, beispielsweise Diazepam) zur Hand, die in der Regel rektal, also in den After, gegeben werden. Anschließend benötigt ein Hund weiterhin mehrere Stunden Erholungszeit in einer abgedunkelten und ruhigen Umgebung.
Ein unverzüglicher Tierarztbesuch ist unabdingbar, wenn der Krampfanfall nicht innerhalb weniger Minuten vorbei geht, wenn der Verdacht auf eine akute Vergiftung durch äußere Einflüsse besteht, und wenn weitere Symptome wie Erbrechen, Fieber, Blutungen oder anhaltende neurologische Ausfälle (beispielsweise Lähmungen) hinzukommen. In diesen Fällen wird der Tierarzt eine spezifische Notfalltherapie einleiten. Ansonsten genügt es meist, den Hund später am Tag oder am nächsten Tag tiermedizinisch untersuchen zu lassen.
Die Langzeittherapie richtet sich entscheidend nach der Grundursache der Anfälle. Allgemeingültige Aussagen sind hierbei nicht möglich. Jede Erkrankung erfordert ein eigenes Therapieschema, das nur durch den behandelnden Tierarzt unter Berücksichtigung aller vorliegenden Befunde festgelegt werden kann.
Die primäre Epilepsie lässt sich durch die Fütterung kaum beeinflussen, hier hilft nur eine Therapie mit antiepileptischen Medikamenten. Liegen jedoch organische Ursachen für die Krampfanfälle vor, ist es möglich, mit einer angepassten Ernährung eine Besserung zu erzielen.
Primär ernährungsbedingte Ursachen für Anfälle sind durch eine ausgewogene Ernährung, die den individuellen Bedarf des Einzeltieres genau abdeckt, zu umgehen. Dadurch lassen sich beispielweise Mangelerscheinungen durch eine Unterversorgung mit Kalzium oder Magnesium vermeiden. Fisch sollte vor der Verfütterung erhitzt werden, weil dadurch die Vitamin-B1-zerstörenden Enzyme (Thiaminasen) inaktiviert werden. Der Zugang zu Giftstoffen aus der Umwelt muss unbedingt unterbunden werden. Auch einige Stoffe im Futter, wie beispielsweise Konservierungsstoffe, stehen im Verdacht, sich begünstigend auf Krampfanfälle auszuwirken, und sollten deshalb nicht im Futter enthalten sein.
Lebererkrankungen stellen eine häufige, durch die Ernährung beeinflussbare Ursache für Krampfanfälle dar. Hierbei kommen sowohl angeborene (z. B. portosystemischer Shunt) als auch erworbene Erkrankungen (z. B. Leberfibrose) in Betracht. Um den Stoffwechsel der Leber zu entlasten, sollte die Proteinzufuhr in moderatem Maße reduziert werden und auf hochwertige Proteine zurückgegriffen werden, die einen hohen Gehalt an essentiellen Aminosäuren aufweisen. So werden die Proteine größtenteils verwertet und bilden kaum toxische Abfallprodukte. Hochverdauliche Proteine sind vor allem im Fleisch, Quark und Sojaprotein enthalten. Weiterhin tragen bestimmte Faserstoffe (beispielsweise Zellulose) zu einer positiven Beeinflussung der Darmflora bei, wenn sie in moderater Menge im Futter enthalten sind, und verringern so die Bildung toxischer Stoffwechselprodukte durch schädliche Bakterien. Die Zufuhr an Vitamin E und Zink sollte erhöht werden, da diese Nährstoffe als Antioxidantien wirken und somit die Leberzellen schützen.
Kupfer und Vitamin A hingegen sollten strikt bedarfsgerecht und nicht bedarfsüberschreitend zugeführt werden, da sie bei erhöhter Zufuhr das Lebergewebe weiter schädigen können. Spezielle Lebererkrankungen in Verbindung mit Störungen des Galleflusses erfordern darüber hinaus ein fettarmes Futtermittel.
Liegt eine Herzerkrankung vor, sollte neben einer medikamentösen Therapie ebenfalls die Ernährung angepasst werden. Der Natriumgehalt im Futter sollte reduziert werden, um einem Bluthochdruck vorzubeugen und das Herz sowie den Blutkreislauf zu entlasten. Je nach Ernährungszustand des Hundes sollte das Futter sehr fett- und energiereich sein, um eine Abmagerung zu verhindern, bei übergewichtigen Hunden sollte jedoch eine Reduktionsdiät eingeleitet werden, um überschüssiges und belastendes Gewicht abzubauen.
Ist die Ursache für die Krampfanfälle gefunden und wird entsprechend therapiert sowie ernährungsseitig unterstützt, können die Anfälle meist deutlich reduziert werden oder komplett verschwinden.